Ein Stern ist untergegangen, und das Auge dieses Jahrhunderts wird sich schließen, bevor er wieder erscheint; denn in weiten Bahnen zieht der leuchtende Genius, und erst späte Enkel heißen freudig willkommen, von dem trauernde Väter einst weinend geschieden. Und eine Krone ist gefallen von dem Haupte eines Königs! Und ein Schwert ist gebrochen in der Hand eines Feldherrn; und ein hoher Priester ist gestorben! [...]Wir hatten Jean Paul, und wir haben ihn nicht mehr, und in ihm verloren wir, was wir nur in ihm besaßen: Kraft und Milde und Glauben und heitern Scherz und entfesselte Rede. Das ist der Stern, der untergegangen: der himmlische Glaube, der in dem Erloschenen uns geleuchtet. Das ist die Krone, die herabgefallen: die Krone der Liebe, die den beherrschte, der sie getragen, wie alle, die ihm untertan gewesen. Das ist das Schwert, das gebrochen: der Spott in scharfer Hand, vor dem Könige zittern und der blutleere Höflinge erröten macht. Und das ist der hohe Priester, der für uns gebetet im Tempel der Natur – er ist dahingeschieden, und unsere Andacht hat keinen Dolmetscher mehr. Wir wollen trauern um ihn, den wir verloren, und um die andern, die ihn nicht verloren. Nicht allen hat er gelebt! Aber eine Zeit wird kommen, da wird er allen geboren, und alle werden ihn beweinen. Er aber steht geduldig an der Pforte des zwanzigsten Jahrhunderts und wartet lächelnd, bis sein schleichend Volk ihm nachkomme. Dann führt er die Müden und Hungrigen ein in die Stadt seiner Liebe; er führt sie unter ein wirtliches Dach: die Vornehmen, verzärtelten Geschmacks, in den Palast des hohen Albano; die Unverwöhnten aber in seines Siebenkäs enge Stube, wo die geschäftige Lenette am Herde waltet und der heiße beißende Wirt mit Pfefferkörnern deutsche Schüsseln würzt. [...]So war Jean Paul! – Fragt ihr: wo er geboren, wo er gelebt, wo seine Asche ruhe? Vom Himmel ist er gekommen, auf der Erde hat er gewohnt, unser Herz ist sein Grab.
Zurück zum Buch. - Ich führe in meiner kleinen Sammlung alle Katzenberger-Ausgaben des 19. Jahrhunderts. Gar so viele sind es nicht. Die erste Ausgabe aus dem Jahre 1809 in schönem geglätteten Kalbsleder mit rotem Rückenschild und dezenter Vergoldung steht neben der zweiten, kleinerformatigen, 1823 erschienen, deren lackierter, hellbrauner Ledereinband von einem schweizer Buchbinder mit strenger klassizistischer Vergoldung überzogen wurde. Daneben einige spätere Nachdrucke, Neuausgaben und zahlreiche Werkausgaben, in denen sich der Katzenberger findet. Die dritte Ausgabe -die ich gestern erwarb- ist aber mein Sorgenkind. Ich habe diese Ausgabe immer wieder gekauft, um sie bald wieder seufzend hergeben zu müssen. - Wieso das? Ganz einfach: Da ich den Katzenberger allerorten bewerbe, empfehle, lanciere, infiltriere, werde ich oft nach einer günstigen und trotzdem schönen alten Ausgabe gefragt. Die beiden ersten Ausgaben scheiden naturgemäß aus: Für den Anfang zu teuer! Die späteren Nach- und Neudrucke sind nicht besonders attraktiv, die Wahrheit zu sagen. Es bleibt also die dritte, im Original-Verlag erschienene Auflage, die alle Vorzüge einer Originalausgabe (sogar mit Portrait des Verfassers!) mit einem sehr übersichtlichen Preis kombiniert. Tja, da gehen sie dahin, meine dritten Auflagen, ärgerlich genug! Zugleich aber Anlaß (einer von vielen), nach ihnen zu suchen, zu reisen, über wehrlose Kollegen herzufallen, mit einem Wort: zu antiquarisieren!
Ist das alles großartig. - Ich breche ab. - Es bedarf nicht immer des ganz Großen, um einen Blick in den Bibliophilenhimmel werfen zu können. Maxima in minimis! Für den Preis eines guten Abendessens mit einer Flasche Wein habe ich mich seit Freitag Nachmittag bis zur Abfassung dieser Zeilen approximativ 71,5 Stunden freuen dürfen, freue mich noch immer und werde mich weiterfreuen.
Eine letzte Bemerkung in eigener und fremder Sache sei erlaubt: Wissen Sie jetzt, warum ich so gerne vom Antiquariat als erotischem Ort dahle? Ahnen Sie, warum ich mich oft über die sinnliche Online-Barbarey ereifere, über das Austreiben der Historie und der Individualität aus dem Buchhandel? Warum ich die alten Tugenden und Formen des Antiquariatswesens so wütend verteidige? An den Moment des glücklichen Findens, den Nachmittag, Hamburg, das Antiquariat Halkyone werde ich jedes Mal denken, wenn ich den Katzenberger aus dem Regal ziehe. Was gibt es Schöneres als ein Buch, das durch seine bloße Existenz in der Gegenwart uns poetisch in seine Vergangenheit entführt, dessen Geschichte nicht bei den Buchstaben haltmacht, sondern sie im Metatext seines Lebenslaufes birgt? (RF Meyer). - Frei nach Jean Paul (Katzenberger, 3. Aufl., S. 205) gesprochen:
O Internet, warum lässest du so wenige deiner Nutzer einen solchen Nachmittag, ach nur eine Stunde daraus erleben? Sie würden sie nie vergessen, sie würden mit ihr, als mit dem Frühling-Weiß und Roth, die Wüsten des Lebens färben - sie würden zwar weinen und schmachten, aber nicht nach Zukunft, sondern nach Vergangenheit - und sie würden, wenn sie stürben, auch sagen: auch ich war in einem richtigen Antiquariat!Gehet hin und tuet also! - Das Antiquariat Halkyone übrigens ist, wenn der Weg nach Hamburg zu weit sein sollte (keiner ist es), im Internet auch zu erreichen. Bitte klicken Sie auf den Eisvogel.
Danke für Ihr Interesse, Ihr Otto W. Plocher
nennen Sie mich einen Erbsenzähler, aber Sie erwarben das schöne Exemplar im Lamp'lweg - und nicht-straße - und der befindet sich in, na gut in Hamburg, aber genauer und schöner doch in - Altona (A. d. S.: so'n lokalpatriotischer Tick, berufsspezifisch bedingt). Das Zuhause von Steinheim, Struensee, Lyser & Co. in "Hamburgs schöner Schwester".
AntwortenLöschenWas viel wichtiger ist, ein schönes Buch in die richtigen Hände gekommen. Hätten wir doch noch so einen Kunden von Ihrem Schlage...
Eieiei, freilich: Lamp'lweg. Zu heiß war die strickende Nadel. Schon geändert! Viel schlimmer: Hamburg genannt, Altona aber nicht. Da sey Basedow vor! Ich wußte es wohl, jedoch das Schrot war zu grob, das ich geladen hatte, und vor den freudenfeuchten Augen verschwamm aus 170 Kilometern Entfernung einiges.
AntwortenLöschenIch verspreche hoch und heilig einen längeren Beitrag zum befruchtenden Verhältnis von Alt-Hamburg und Alt-Altona im 18. Jahrhundert anhand ausgewählter Bücher.
Ich wünsche Ihnen Alles, vor allem aber Sammler und Bücherfreunde!
Freundliche Grüsse, Ihr OW Plocher
"Guter Kurt!
AntwortenLöschenJa, Du gehörst in die gute Gesellschaft. Nach Altona, wo man Wege pflegt und Straßen verachtet. Du bist überhaupt sehr gut! Warum schreibst Du mir, dem Verworfenen, noch?
Gehorsamst Dein Erich
...
"Du bist ein guter Sohn, ein braver Seelenbruder; Verzeih, daß ich verwandt mit Dir, ich armes Luder!
Demütigst Dein Erichbruder" (mitgeteilt von MH)