Eine altdeutsche Sage aus grauer Vorzeit
Es war einmal vor langer, langer Zeit, da wirkte im Oberbayrischen ein gestandener und kräftiger Aufseher, den alle als den Meister Eberhard kannten. Er sah hier und da auf, wie es sein Beruf war, inspizierte dies und das und ließ ansonsten den lieben Gott einen recht guten Mann sein. Gemütlich wie er war, sah man ihn oft in den umliegenden Schankwirtschaften ein, zwei Maß Bier zischen. Wenn er zur Tür herein kam, riefen die Leute: „Seht nur den Meister Eberhard! Er trägt eine Schreibfeder am Barett und einen fein ausgeschärften Lederwams mit vielen diakritischen Zeichen und Buchstaben darauf!“
Eines Tages nun saß Meister Eberhard in einer Schankwirtschaft und zutzelte genüsslich ein paar Dutzend Weißwürste aus, warf ab und zu ein paar Streithanseln aus dem geschlossenen Fenster, scherzte mit der Wirtin; kurz: alles war wie sonst – nur, dass der Meister jede halbe Stunde vor die Tür der Wirtschaft lief und man von draußen Peitschenknall und wütendes Gebrüll hörte in einer Sprache, die kaum einer der Einheimischen verstand: „Das Grüne nach oben!“ hörte man den Meister schreien und sakrisch fluchen. Auf Befragen teilte der Meister mit, was es mit diesem sonderbaren Gebaren auf sich habe. Er beaufsichtige, so der Meister, heute eine Kolonne von Landarbeitern beim Bäumepflanzen, hartleibige und widerborstige Burschen, die man teils aus Berlin und Freiburg, teils oben von der Dithmarscher Geestkante weggefangen habe (einer besonders baumlosen und rauhen Gegend), und denen man bei dieser Pflanztätigkeit genaueste Anleitung geben müsse, damit sie nicht die Krone in den Boden und den Wurzelballen in die Luft setzten. Unbeaufsichtigt dürfe man dieses ambulante Volk auf keinen Fall lassen, da es dann ausschließlich mit dem Iphone Auktionspreise bei Ebay prüfe, beleidigende Blog-Einträge schreibe oder mit Rechtsanwälten wegen der urheberrechtlich mißbräulichen Verwendung verwackelter Fotografien telefoniere.
Als der Meister beim nächsten Mal die Schankwirtschaft verließ, hörte man von draußen ein noch wütenderes Gebrüll und ein noch viel wilderes Peitschenknallen, und alle Gäste der Wirtschaft drängten sich zur Tür heraus um zu schauen, was dort vor sich gehe. Man sah zwei der Pflanzer am Boden liegen (der Meister hatte sie mit zwei einfachen Watschen niedergestreckt), den kräftigen Dithmarscher aber und den Meister Eberhard so ineinander verkeilt und aufeinander eindreschend, dass es fünf der stärksten Männer nicht möglich war, die beiden zu trennen. Den Dithmarscher hörte man ab und zu „Leewer dood as Sklaav!“ brüllen und Vorwürfe gegen den Meister erheben, die aus alten Vorzeiten zu stammen schienen; den Meister Eberhard hörte man hauptsächlich „Bauerntartar, zerdruckerter!“ fluchen. Das Gefecht dauerte bis in die frühen Morgenstunden. Als den Kontrahenten schließlich die Kräfte ausgingen, würgten sie sich gegenseitig bis zur Ohnmacht. Schließlich entschliefen die beiden sanft, und auch im Tode war es nicht möglich, sie voneinander zu trennen. Man musste sie zusammen unter einem der gepflanzten Bäume begraben.
Und wenn nach vielen, vielen Jahren ein Wandersmann an diesem Orte rastete, dann mochte er sich über den schön gewachsenen Orangenbaum wundern, durch dessen Krone seufzend der Wind fuhr und von dem eigenartige, mit dünnen, rätselhaften Zeichen bedeckte Blätter wie aus einer alten Handschrift fielen und von einem alten Zwist kündeten, den die Zeitgenossen schon damals nicht verstanden und die Nachgeborenen längst vergessen hatten.
ich habe ganz fürchterlich gelacht, also natürlich nicht fürchterlich, sondern eher herzlich, so im Sinne von, was von fein ausgesponnen.
AntwortenLöschenUnd dabei weiß ich gar nicht mal, worum es geht?! Die Namensgleichheit mit meinem Freund und Kupferstecher Eberhard aka Franz Gans ist natürlich nur eine zufällige, I presume.
Naja, naja... ist nur für Internet- und Börsenblattkommentar-Volljunkies ganz verständlich. Wenn Sie da die Debatten der letzten zwei-drei Wochen sich durchlesen möchten (was Sie natürlich nicht möchten, ich versteh's), dann entdeckten Sie den Hintergrund dieser spitzenlosen Parabel.
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