Mittwoch, 30. September 2009

Maxima in Minissimis - Nachtrag


Liebe Leser,

neulich habe ich Ihnen von einem Miniatur-Almanach aus dem pariser Verlag Marcilly auf das Jahr 1843 berichtet, und bei diesem Anlaß über die schlechte bibliographische Lage in meiner nordwestdeutschen Heimat geschimpft.

















Heute aber traf die langersehnte Fernleihe ein, der Jahresband 1959 des Bulletin du Bibliophile et du Bibliothécaire (Revue bimestrielle fondée en 1834 par J. Techener; sie sind uns einfach über, unsere südwestlichen Nachbarn...), enthaltend den großartigen Artikel Almanachs minuscules francais aus der Feder Roger Castaings, in dem unter anderem ein Verzeichnis der Almanachs minuscules francais édités a Paris de 1750 a 1850 gegeben wird.

Wir erfahren, daß unser Almanach der erste in einer Reihe von drei Jahresalmanachen war (1843-1844-1845). Eine Seite mit Einbandabbildungen (leider nicht reproduzierbar; schon die verbotene Anfertigung der Kopien des Textes fand unter Gefahr für Leib und Leben statt) belegt, daß viele der Miniaturbüchlein sehr hübsch gebunden waren und sich neben fleuralen Deckenstempeln so reizende Motive wie Urnen, Leiern, Füllhörner, nektartrinkende Vögelchen (auf 2,5 x 1,5 cm!) und sogar Eichhörnchen finden.

In der sich anschließenden
Description générale des Almanachs minuscules, Pionierarbeit einer bibliophilen Bestandsaufnahme, findet sich ein besonderer Abschnitt zu den von Marcilly verlegten Almanachen. Es wird berichtet, daß Marcilly zwischen den Jahren 1798 und 1849 Miniaturbücher verlegt hat. Der Druckvermerk wandelte sich dabei von über Marcilly - marchand papetier, rue Julien-le-Pauvre über Marcilly - librairie éditeur, Rue Saint-Jacques No. 21 bis zur letzten Adresse Rue Saint-Jacques No. 10. Diese Straße war für ihre kunstfertigen Buchbinder bekannt. Unser Bändchen aus der Spätzeit Marcillys verzeichnet schon die Hausnummer 10. - Alle Almanache Marcillys zählen 64 Seiten und sind meistens in rotes Maroquin, gelegentlich auch in grünes oder violettes, gebunden. Einen frühen Kinder-Almanach hat Marcilly komplett en sanguine, in Röteldruck, verlegt; einige seiner Werke ließ er von der bekannten Pariser Presse F. Didot drucken. Die Zahl der Illustrationen sank von anfänglich 12 auf 6 (wie bei unserem Exemplar); möglicherweise aus Kostengründen.

Zu den Miniatur-Almanachen insgesamt bemerkt Castaing, daß sie auf die
mode des breloques, die Mode der Berlocken (Bijoux / Schmuckanhänger kleinen Formats, die man an Uhren oder Zier-Ketten trug) des 18. Jahrhunderts zurückgehen und die Revolutionsjahre überdauert haben, auch von Konfiseriegeschäften in der Rue des Lombards an besondere Kunden verschenkt wurden, und gegen Mitte des 19. Jahrhunderts zunehmend à but uniquement commercial, also zu Werbezwecken, hergestellt wurden.

Wir können also die bibliographischen Angaben zu unserem Almanach um die spröde Angabe "Castaing 5" erweitern.

Danke für Ihr Interesse! Ihr OW Plocher

1 Kommentar:

  1. nach subjektiver begutachtung war das minibüchlein an schramms stand, kleiner! sometimes size does matter!

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